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Sag mal – magst Du Rügen?!

Meine (Wahl)Heimat.

Diese Frage kann ich ganz klar mit einem JA beantworten!
Ich bin leider nicht von hier und werde mich somit nie als Rüganerin bezeichnen dürfen. Aber hier ist der Ort an dem mein Herz zu Hause ist.

Als ich klein war, entschieden meine Eltern ihre Zelte im gutbürgerlichen Hitzhusen abzubrechen und unseren neuen Lebensmittelpunkt auf die Insel Rügen zu verlagern. Für mich bedeutete dies die Trennung von all den Dingen, welche ich kannte – meinen Freunden, die Schule oder den Bauern die Strasse hoch, bei dem ich miterleben durfte, wie Kälbchen auf die Welt kamen, Enten und Hühner schlüpften oder der Karpfenteich, zu dem wir uns immer schlichen, um die Füsse ins Wasser zu halten und die Fische grosszügig zu füttern oder unser Haus, mein zu Hause, dieses alte, selbstumgebaute Bauernhaus, mein Zimmer mit einem riiiiiiesigen Fenster über der Garage und das angrenzende Grundstück, welches mein Vater als Abstellplatz und Lagerfläche für seine Stuntautos benutzte. Das alles verliessen wir. Bis dahin war dies meine Welt gewesen. Der Ort an dem ich  bisher „gross“ geworden war. Idyllisch, gut bürgerlich, konservativ, planbar, sicher.

Alles hat seine Zeit.
 

Als junges Mädchen konnte ich der Schönheit der Natur, den Möglichkeiten zu Wandern und in den Wäldern spazieren zu gehen, wirklich rein gar nichts abgewinnen. Das alles war selbstverständlich, eben einfach da, aber damals eben nichts besonderes. Mit 18 zog es mich raus in die Welt, ab nach Berlin, in die Hauptstadt. Mondän, gross, dreckig. Alles durchaus sehr spannend. Es gibt dort alles und das im Überfluss. Was nicht bedeutet, dass es gut ist. Insgesamt war ich 12 Jahre in Berlin. Habe mein Studium durchgezogen, diverse Praktika absolviert und viele Jobs in verschiedenen Branchen, von Verkäuferin, Kellnerin und Regieassistenz ausprobiert, bin in verschiedene Städte, unterschiedlicher Länder gezogen. Bei einem Job, beim Film, hatte es mich nach Neuseeland verschlagen und dabei habe ich mich in das Land, die Menschen und die Lebensart verliebt. Aber ich hatte eine Erkenntnis – egal wie viel all diese Orte, an denen ich gewesen war und gelebt hatte, zu bieten hatten, irgendwie war ich dort nie zu Hause. Ich war viel allein – alles war so anonym, unpersönlich, kein freundliches Wort. Und ja, man kann in einer Stadt mit über 3 Mio. Einwohnern wahrlich alleine sein. In Neuseeland fühlte ich mich wohl, was an der Natur lag, den Menschen und der Weite, es fehlte dennoch was. Es war ein wunderschöner Ersatz, nicht das Original – Rügen eben. Die grosse Verführung – welche die Welt zu bieten hatte, war offensichtlich vorbei und die Sehnsucht nach dem „echten“ Leben begann.

 

Heute ist die Natur die uns umgibt ein grosses, aussergewöhnliches Geschenk und ein Privileg in so einem wunderschönen Umfeld leben zu dürfen. Wir leben tatsächlich dort, wo andere Urlaub machen. 

Die Strände, die Wissower Klinken, Kap Arkona, die Promenaden, die Alleen, der Bodden und unsere kleinen Nachbarinseln – die weiten Felder und Seen. Hier findet man einfach alles an Schönheit. 

So manche Ecke, meckert der Tourist, sollte noch renoviert werden oder es fehlt an Farbe. Ich sage, nein, da fehlt rein gar nichts und wenn, dann entwickelt sich alles so, in der Zeit, wie es soll. Ja, an manch einer Ecke hat man das Gefühl die Wende hätte noch nicht stattgefunden – grossartig, wie ich finde, sind es doch Zeitaufnahmen und ein grossartiger Gegensatz zu den mondänen, perfekt ausgebauten Seebädern der Insel. Wenn man einfach losläuft entdeckt man Orte, verlassene, welche sich im Aufbau befinden und sehr ruhige, wo die Zeit stehen geblieben ist und die, bei denen Dorfgemeinschaften gefühlt einfach schon immer bestehen. Es fasziniert mich zu sehen, wie liebevoll das meiste gestaltet ist und dass Perfektion nun mal auch im Auge das Betrachters liegt und nicht jede Kante gerade und jedes Reetdach neu sein muss. 

Heute gehe ich gerne in den Wäldern spazieren, erfreue mich an den Himbeersträuchern und dem wilden Sanddorn der die Wege säumt, liebe die steife Ostseebrise und den Blick über die weiten Felder. Jeder Schritt in den Weiten dieser Insel lässt mich durchatmen, zur Ruhe kommen und ich geniesse die frische, einzigartige Luft. Alleine, mit Freunden oder der Familie – und immer mit Hund!

Aber Rügen ist noch mehr als seine Flora und Fauna. Diese Insel wird vor allem geprägt durch seine Menschen, seine „Ureinwohner“. Und wenn ich die „echten Rüganer“, alles andere sind Rügener und somit zugezogen, als solche bezeichne, dann meine ich das so liebevoll wie man es nur meinen kann. Der Rüganer hat im Laufe der Geschichte viel mitgemacht, schwere Stürme auf allen Ebenen, aber er ist sich selbst immer treu geblieben. Hier bekommt man immer eine ehrliche Ansage. Oder keine, aber dann weiss man auch was das zu bedeuten hat. Wenn ein Rüganer Dich in sein Herz geschlossen hat, dann fliegt man dort nicht so schnell wieder raus – da kann man auch mal Mist verzapfen. 

Es ist ein bisschen wie früher beim Dorftanz. Irgendwann gibt es immer den Moment, wo sich die Burschen wegen einer Maid die Köppe vor der Tür einschlagen, um dann kurz darauf, mit blauem Auge oder einem fehlenden Zahn, gemeinsam, Arm in Arm, am Tresen zu stehen und einen zu trinken. Die Schmerzen vergessen, das Mädel auch, aber der Respekt bleibt. Damit will ich sagen, dass die Menschen hier etwas brauchen sich zu öffnen und das Leben hat sie immer wieder gelehrt, dass sie gut daran tun, nicht jedem sofort zu vertrauen. Das Misstrauen ist genährt worden, es liegt hier nicht in der Natur des Menschen. Manchmal muss es weh tun, damit Missverständnisse aus der Welt geschafft werden können und man sich eben „richtig“ kennenlernt. Auch gut. Da muss man eben dran bleiben. 

Um Erlaubnis hatten mich meine Eltern damals nicht gebeten. Zum Glück hatte ich bei dieser „Umzugsentscheidung“ nichts mitzureden. Was versteht ein Kind von lebensverändernden Entscheidungen? Mit 9 Jahren bestimmt Einiges, aber die Tragweite, die Chance und die Sehnsucht – davon nicht viel.

Heute bin ich auf den Mut meiner Eltern unglaublich stolz, empfinde Ihren Aufbruch als das einzig Richtige. Es war ein Neuanfang, alles auf Risiko – ob man ankommen und erfolgreich sein würde, wusste man nicht. Aber – sie hatten einen Traum und sie hatten beschlossen darum zu kämpfen. Beruflich, wie privat, sind sie vor langer Zeit angekommen. Haben eine Heimat gefunden und mir eine geschenkt. Ich würde um keinen Preis der Welt tauschen wollen, weder in die grosse Stadt, ein anderes Land oder ins Binnenland ziehen. Mein Herz ist hier – auf dieser Insel und es würde brechen, müsste ich gehen. 

Nordlichter sind anders – unter anderem sehr treu und loyal. Charaktereigenschaften, welche man auch im Alter anfängt zu schätzen und zu geniessen. Wer mag und braucht schon Oberflächlichkeit!?

Rügen ist eine wilde Braut, die erobert werden möchte und in ihrer schönen Wildheit, alles zu bieten hat, was man sich erträumt. Man muss sich nur auf Sie einlassen, das eigene Herz öffnen und mit der Seele sehen. Ich liebe diese Insel, sie ist mein zu Hause, meine Heimat. 

Danke, Rügen, dass Du so bist!