Ist doch alles easy!
Nein, kein weiteres Résumé über dieses vorzügliche Jahr. Einmal in die Tonne und ab damit. Leider ist, nur weil ein Jahreswechsel ansteht, noch kein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. Vor allem, wenn man die jüngsten Ereignisse berücksichtigt.
Aber – Kinners, wenn mich dieses Jahr etwas gelehrt hat, dann ist es, dass man niemals den Fehler machen sollte, jemand anderem zu erklären wie sein Geschäft funktioniert. Wirklich nicht. Man kann einfach nicht jede einzelne Komponente kennen, auch wenn man das meint. Das geht einfach nicht. Weil man es ganz simpel einfach nicht wissen kann. Bin keine Schneiderin, Bäckerin, Fondsmanagerin, Politikerin – you name it. Ich könnte auf diesen ganzen Feldern nicht spielen – woher auch?! Ich bin Fachidiot in meinem Gebiet. Du, Fachidiot in Deinem. Gut so! Nicht jeder kann alles wissen – oder können. Wäre auch irgendwie schlimm, wenn es so wäre.
Mich hat es dieses Jahr sehr müde gemacht, immer wieder mit „guten Ratschlägen“, die wie ich weiss wirklich gut gemeint waren, belegt zu werden, dabei zu lächeln und zuzuhören. Derjenige konnte nicht wissen, dass er der 50. ist, der mit seinem Rat um die Ecke kam, welchen 49. andere schon vorher abgegeben hatten.
Witzig dabei ist: Ich bleibe ruhig, erkläre gelassen warum etwas so nicht geht, wie es in der Vorstellung meines Gegenüber aber gesehen und somit möglich wäre, mit dem Ergebnis, dass mein Gegenüber beleidigt ist. Du bist so unflexibel – Du musst, mein Lieblingswort, einfach mal über den Tellerrand schauen. Oder – „Sag doch einfach wenn du keinen Rat annehmen möchtest.“
Danke! Wirklich! Für Deine ungefragte Meinung und dass ich mich nun auch noch schlecht fühlen darf.
Da frage ich mich wirklich, woher wir eigentlich die Arroganz nehmen solche Klugscheisser zu sein. Und vor allem: Warum mischen wir uns in das Business, das Leben anderer Menschen, so ungefragt ein? Warum können wir nicht annehmen, dass es jemandem einfach gerade nicht so gut geht. Warum muss man immer alles reparieren wollen?! Austausch ist richtig und wichtig, aber Austausch ist keine Lösung und auch nicht die Frage nach Hilfe. Diese würde schon artikuliert werden, wenn man Bedarf hat.
Versteht mich bitte nicht falsch – ich gehöre auch zu denen, die sehr gerne helfen. Die gerne nach Lösungen für andere suchen, sich oft ungefragt einmischen – nur, dass werde ich mir in Zukunft verkneifen. Ausser – man bittet mich um Rat und Tat. Mein Learning 2020.
Der Einzige der mir momentan helfen soll und kann, ist mein Steuerberater – und das macht er ziemlich gut. Vielleicht würde ich mich über Hilfe von oben freuen, aber da ist ja gerade sehr viel los, also muss ich da in der langen Schlange geduldig warten und ausharren. Bis – ja, bis wann eigentlich?!
Wo ist die Empathie hin?
Keine Ahnung. Verschwunden, nehme ich an. Oder man empfindet sie nur noch für den eigenen kleinen Mikrokosmos. Auch das erscheint mir wirklich eigenartig. Da haben wir eine weltweite Pandemie, mit hohen Infektionsraten, Lockdowns, Arbeitslosigkeit, in vielen Branchen Arbeitsverbot, man wird nach Systemrelevanz eingeteilt, unglaublich. Viele Menschen verdienen kein Geld mehr, verlieren Ihre Firmen, machen Verluste, verschulden sich, wissen nicht wie sie die Miete zahlen sollen oder wie sie ihrem Kind etwas zu Weihnachten schenken. Und andere – machen weiter, als ob nichts wäre, drücken sogar härter ihre Produkte auf den Markt, pushen sie bis zum Anschlag in dein Gesicht, verkaufen, verkaufen, verkaufen und feiern sich selbst dabei noch derb ab.
In einer Zeit wie dieser, wo es so unglaublich vielen Menschen zusätzlich schlecht geht, Angst und Unsicherheit sich breit machen und wir den „normalen Welthunger“ und die „Umweltverschmutzung“ einfach beiseite drücken und fast vergessen können, werde ich an die französische Revolution erinnert – „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen!“, Marie Antoinette hat dies zwar nie gesagt, passen tut es aber in unsere Zeit – damals wie heute. Instagram bietet die beste Plattform für diese Form der öffentlichen Gönnung. Diese Melange aus Unbedarftheit und Dekadenz geht mir gewaltig auf den Senkel.
Und auch hier – versteht mich nicht falsch – jeder der hart arbeitet hat es verdient, stolz auf das Erreichte zu sein, es zu leben und es sich gut gehen zu lassen, denn es sind mit Erfolg und Arbeit, immer Entbehrungen verbunden, die nicht immer offensichtlich sind. Neid, Hass und Missgunst machen nicht nur hässlich, sind auch völlig deplatziert. Was mich stört ist, dass man es aller Welt unter die Nase reiben muss. Und das grenzenlos, dass es mir manchmal schon fast obszön erscheint.
Was ist mit Bescheidenheit passiert, diese wunderbare Zierde. Wann sind wir so oberflächlich geworden? Warum muss man seine MCM Handtasche in die Kamera halten oder seinen „Belohnungssnack“ von Gucci, Chanel, Yves Saint Laurent & Co., diese ganzen HighEnd Adventskalender, welche durch Influencer beworben werden, sie selber nichts dafür bezahlt haben, wir aber 450 Euro für einen schönen Weihnachtscountdown auf den Tisch packen sollen, weil „wir es uns wert sind“ und man sonst nicht dazu gehört. Der nächste „Shoppinghaul“, die neueste Aufspritzung beim Beautydoc, die XXL Haarextensions vom Edelfriseur oder das neue Auto, welches ich eigentlich gar nicht brauche. Hauptsache die Lippen, Nägel und Haare sitzen – und das geht nur mit Produkt XY und ach ja, welches Fashionpiece gönne ich mir denn als nächstes und klar nehme ich Euch mit auf den Shoppingtrip. Wirklich? Ist Glück eine Handtasche oder Edelhausschuhe?
Für mich ist das dekadent, oberflächlich – und gerade jetzt – wirklich empathielos, weil vollkommen unwichtig. Andere kämpfen ums Überleben, andere … ja … offensichtlich nicht.
In den Medien wird ein „Miteinander“, „Füreinander“ und „Zusammenhalt“ gepredigt. Am Anfang gab es den auch bestimmt noch, aber jetzt – sehe ich diesen leider viel zu selten. Er begegnet mir einfach nicht mehr. Schade. Aber anscheinend einfach Realität.
Und wenn jetzt jemand meint: „Ach, die Alte ist doch nur neidisch.“ der hat den Text nicht verstanden, kennt mich nicht, hat Vorurteile und kann sich gerne mit anderen das Maul zerreißen. Kostet nichts.
Ich gehe lieber eine Runde im Wald tanzen. Frische Luft, toller Ausblick, Ruhe und Kälte. Da besinne ich mich auf die wirklich wichtigen Dinge – meine Familie, meine wenigen Freunde, Gesundheit, die Hoffnung, dass es bald besser gehen wird, dass wir bald wieder spielen dürfen – ich weiss warum ich tue, was ich tue. Ich weiß, dass Durchhalten nichts für Weicheier ist, aber manchmal wird man auch mal meckern dürfen, wenn das Wertesystem da draußen ins Schwanken kommt.